Es waren drei ereignisreiche Wochen, die die
ukrainischen Schülerinnen und Schüler in Hemer
verbrachten. Vor allem waren sie friedlich.
Es waren drei Wochen zum Durchatmen. Wenn man
diesen Satz liest, gehen die Gedanken vielleicht
in die Richtung, dass da jemand vielleicht
vorher beruflich stark gefordert war oder
ansonsten in irgendeiner Form Stress gespürt
hat. In diesem Fall geht es um etwas ganz
anderes – um den Krieg in der Ukraine.
Abstand zum grausamen Geschehen im
Kriegsgebiet
Das Woeste-Gymnasium in Hemer hatte Besuch von
ukrainischen Schülerinnen und Schülern, die aus
dem Kriegsgebiet angereist sind, um im Rahmen
des „Recreation Programms“ der UNESCO etwas
Abstand zu gewinnen und sich zu erholen. Nach
dreitägiger Anreise war die Gruppe da und wurde
im Gymnasium willkommen geheißen. Die große
Frage, die alle vor der Ankunft ihrer Gäste
bewegte: Wie verhält man sich, wenn man Menschen
gegenüber steht, die aus einem Kriegsgebiet
kommen? Menschen, die zusammenzucken, wenn sie
laute Geräusche hören, weil sie denken, der
Beschuss geht wieder los. Alle haben sich
Gedanken gemacht, aber schnell gemerkt, dass die
Jugendlichen einfach die Zeit in Hemer genießen
wollten, ohne viel aus der Heimat zu erzählen.
Ein Leben mit dem Krieg
„Wir werden in unserer Heimat informiert, um was
für Raketen es sich handelt, die auf unsere
Stadt geschossen werden. Entweder können wir in
der Wohnung bleiben, oder wir müssen in den
Keller gehen“, sagt Lehrerin Olena Sopina am
Donnerstag im Gymnasium, wo ein letztes
gemeinsames Kaffeetrinken stattgefunden hat. Sie
lebe mit dem Krieg, tagsüber sei das aber
einfacher. „Nachts in der Dunkelheit ist es
besonders schlimm. Wir leben in ständiger
Angst“, so die 42-Jährige.
„Nachts in der
Dunkelheit ist es besonders schlimm. Wir
leben in ständiger Angst.“
Olena Sopina
Eishockey, Theater und neue Freundschaften
Eigentlich ist die Stimmung durchweg aber sehr
gut, die Jugendlichen reden durcheinander und
freuen sich über die schönen Dinge, die sie in
Hemer und der Region erlebt haben. Einige von
ihnen waren in Gastfamilien untergebracht,
andere wohnten zusammen mit den Lehrerinnen in
einem Iserlohner Hotel. Der Besuch des
Sauerlandparks und des Wildwald Vosswinkel waren
unter anderem Ziele, die die Gruppe angesteuert
hat. Aber die jungen ukrainischen Gäste haben
auch ein Eishockeyspiel der Iserlohn Roosters
gesehen, glücklicherweise einen Sieg. Zudem
sahen sie sich eine Aufführung im Parktheater
an, aber auch ein Besuch an der Fachhochschule
Iserlohn stand auf dem Plan. „Die Fachhochschule
hat alle sehr beeindruckt“, sagt Olena Sopina.
Und ganz wichtig: Die Jugendlichen haben
Freundschaften geschlossen.
Schlechte Nachrichten aus dem Kriegsgebiet
Thematisch geht es im Gespräch hin und her, und
sie erzählt, dass sie am Mittwoch sehr schlechte
Nachrichten aus der Heimat bekommen hat. Sie hat
einen 35-jährigen Bruder, der als Soldat schwer
verletzt wurde. Was genau ihr Bruder hat, das
weiß die Lehrerin aktuell noch nicht. Wichtig
ist für sie, dass er lebt.
Ein Abschiedsgeschenk für das
Woeste-Gymnasium
Es ist ein Wechselbad der Gefühle, das sich
schwer beschreiben lässt. Zum einen versucht die
Lehrerin, ihren Schülern viel mitzugeben und die
Zeit in Hemer abwechslungsreich zu gestalten.
Zum anderen sind da die Gedanken an ihre Familie
zu Hause, die sie gut überspielt. Sie lächelt
und ist glücklich, Schulleiter Dr. Jörg
Trelenberg ein Geschenk von ihrer Schule
überreichen zu können. Dieses übergibt sie
zusammen mit ihrer Kollegin, verbunden mit dem
Wunsch und der Hoffnung, dass der Kontakt
zwischen den beiden UNESCO-Schulen auch
weiterhin bestehen bleibt. „Auch wenn es nur
online geht“, sagt sie. Beide Seiten haben in
den vergangenen drei Wochen viel übereinander
erfahren und auch einen Einblick in die andere
Kultur bekommen.
50 Teile eines Kunstwerks, die verbinden
Zusammen mit der Hemeraner Künstlerin Angela
Beckmann-Hannibal haben die deutschen und
ukrainischen Jugendlichen ein schönes
Kunstprojekt umgesetzt. Zum einen haben sie sich
mit Picasso, zum anderen mit Andy Warhol
beschäftigt. Angelehnt an letzteren Künstler hat
jeder ein Teil zu einem großen Gesamtkunstwerk
beigesteuert, das aus 25 Einzelstücken besteht
und 2 x 2 Meter groß ist. Im Woeste-Gymnasium
hat das Bild auch schon einen besonderen Platz
gefunden, und wenn die ukrainischen Schülerinnen
und Schüler bald wieder zu Hause sind, wollen
auch sie einen schönen Platz für ihre Hälfte des
Kunstwerks finden – wenn sie denn wieder sicher
in ihre Schule können, denn die steht, wie Olena
Sopina sagt, nah an der Front. Auch sie haben 25
Teile, die sie mitnehmen. Dieses große Bild
verbindet beide Schulen.
Impressionen
von den Aktivitäten
Text und Fotos 1-3: Carmen Ahlers / IKZ
Fotos Impressionen: privat