Die Bedingungen
sind ideal, der Druck ist hoch
Professor Klaus
Hurrelmann sprach am Woeste-Gymnasium über die
Herausforderungen der „Generation Greta“
„Die jüngere Generation sagt den Älteren, wo es
langgeht. Das ist ein absolutes Novum“, meint
Professor Dr. Dr. h.c. Klaus Hurrelmann. Der bekannte
Jugend- und Bildungsforscher war im Rahmen der Reihe
„Wissenschaft am Woeste“ zu Gast, um deutlich zu
machen, was die aktuelle Generation der seit 2000
geborenen Kinder und Jugendlichen prägt und welche
Herausforderungen auf sie warten. Das Interesse ist
riesig in der Aula des Woeste-Gymnasiums, neben
Schülern und Lehrern kommen auch zahlreiche Vertreter
weiterer Schulen, Institutionen, aber auch Eltern und
Erzieher, um mehr über dieses Thema zu erfahren.
Jugendliche sind politisch visionär
Äußere Lebensumstände hinterlassen ihre Spuren. Sind
sie über Jahre hinweg stabil, prägen sie ganze
Generationen. Nicht umsonst sind Begrifflichkeiten wie
„Babyboomer“ oder „Generation Y“ fest im Wortschatz
verankert. Und auch der Generation der seit 2000
geborenen Kinder und Jugendlichen gibt Hurrelmann
einen markanten Namen: „Generation Greta“. „Prägend
für die Jugendlichen heute ist, dass sie politisch
visionär sind“, berichtet Professor Hurrelmann von den
Ergebnissen der neuesten Shell-Jugendstudie. Vor allem
die Themen Umweltschutz und Klima würden die jungen
Leute elektrisieren und sorgen so neben einem
dauerhaften politischen Interesse auch für ein aktives
Engagement - vor allem bei jungen Frauen. „Wir sehen
hier eine Generation, die politisch interessiert ist
und von jungen, engagierten Frauen angeführt wird“,
beschreibt der Sozialforscher.
Wie aber kommt dieser Wandel weg von der fragenden
Generation Y, die als eher mit sich selbst beschäftigt
beschrieben wird, hin zu Interesse und Engagement für
das große Ganze? Ihren Ursprung fände diese
Entwicklung in den äußeren Bedingungen, die Professor
Klaus Hurrelmann als hervorragend beschreibt:
Wirtschaft und Terror spielen, ganz im Gegensatz zur
Zeit um die die Jahrtausendwende, eine untergeordnete
Rolle, die Zahl und Qualität der Schulabschlüsse sei
auf einem Hoch. Gleichzeitig aber steige der Druck auf
die „Generation Greta“, denn der Leistungsdruck und
vor allem auch die Qual der Wahl im Bereich von
Ausbildung, Studium und Beruf bringe die Jugendlichen
in eine missliche Situation. „Ohne echte existentielle
Not sind sie in einer psychologischen Notlage“, meint
Hurrelmann.
Aus Leistungsdruck wird Leidensdruck
Es werde erwartet, dass die Jugendlichen sich
engagieren, aktiv sind, einen hohen Bildungsabschluss
erreichen und auch andere Entwicklungsaufgaben, wie
das Entwickeln eigener Beziehungen,
Freizeitaktivitäten und Werteorientierung ohne
Probleme ablaufen. Dazu komme eine wachsende Freiheit
hinsichtlich der sexuellen Identität und die
zunehmende Digitalisierung, die für die „Generation
Greta“ schon selbstverständlich sei. „So wird aus dem
Leistungsdruck dann ganz schnell ein immenser
Leidensdruck“, lautet das Fazit des Wissenschaftlers.
Eine besondere Rolle schreibt Professor Hurrelmann den
jungen Frauen der „Generation Greta“ zu. Sie kämen
durchschnittlich am besten mit den aktuellen
Bedingungen rund um die Entwicklungsaufgaben zurecht:
Sie sind aktiver, sprechen besser auf das
Bildungssystem an und hätten auch ein höheres
Gesundheitsbewusstsein. „Sie hinterlassen, ähnlich wie
Greta Thunberg, ihre Spuren und gehen ihren eigenen
Weg“, meint Hurrelmann. Für ihn ist das Konzept hinter
„Fridays for Future“ geschickt, denn ohne Gesetze zu
brechen, reinweg durch zivilen Ungehorsam, ohne
jegliche Ideologie, setzen sich die Jugendlichen für
ein für sie wichtiges Thema ein: Den Klimaschutz.
Dafür zollt der 76-Jährige der „Generation Greta“
seinen Respekt.
In der Diskussion bestätigt sich das Bild, dass der
Sozialforscher zuvor zeichnete: Eine Schülerin beklagt
sich, dass noch immer eine Spanne zwischen Männern und
Frauen in Sachen Bezahlung klaffe. Hurrelmann
ermutigte die junge Frau, sich gegen diesen Missstand
einzusetzen. Und den Schulen gibt er auch etwas mit
auf den Weg: „Trauen Sie sich etwas, gehen sie neue
Wege. Die „Generation Greta“ wird es Ihnen danken“.
Text: Vanessa
Wittenburg / IKZ vom 24.02.2020
Fotos: Jan Wille