Was lange währte, wird
endlich anders gut. Hoffentlich.
Liebe Schulgemeinde des Woeste-Gymnasiums,
seit meinem Eintritt in den Ruhestand hat es zwei Jahre
gedauert, bis ich endlich Vollzug melden kann. Die
großzügigen Geldgeschenke in einem Gesamtwert von 1.240 €
sind nun hoffentlich gut untergebracht. Vorgestern habe
ich an die Kindernothilfe e.V. einen Betrag von 1.500 €
überwiesen. Verwendungszweck: Unterstützung des Projekts
„Hilfe für AIDS-Waisen in KwaZulu - Natal, Südafrika“.
Da stellt sich natürlich die Frage, warum das so lange
gedauert hat. Hätte es nicht binnen Tagen erledigt sein
können? Ja, es hätte. Völlig richtig. Aber der Grund für
die späte Umsetzung liegt in meinem ursprünglicher Wunsch,
eine ganz bestimmte Schule zu unterstützen. Leider lässt
sich jedoch nicht jeder Wunsch realisieren; auch
wenn man sich anstrengt!
Bei meinen Reisen durch das südliche Afrika stolperte ich
anno 1994 in eine Grundschule in Shakawe, einer Gemeinde
am Okavango im Nordwesten Botswanas. Der Besuch hinterließ
nicht nur bei mir, sondern auch bei meinen Gefährten einen
tiefen Eindruck. Lehrer und Schüler widmeten sich dem
Wissenstransfer unter primitivsten Bedingungen mit
bemerkenswertem Engagement. Die Klassenräume befanden sich
auf dem offenen Schulgelände. Aus baulicher Sicht
bestanden sie nur aus jeweils einem Baum, in dessen
Schatten eine rostige Tafel vor einer Ansammlung rostiger
Stühle posierte. Aber der lebhafte Unterricht, den
charmante Lehrer und wissbegierige Schüler entfalteten,
war alles andere als rostig.
Im Frühjahr 2017 recherchierte ich intensiv im Internet,
um Kontaktdaten jener Schule herauszufinden. Irgendwann
grub ich eine vielversprechende Faxnummer aus. Ich setzte
eine mit Bildern illustrierte Kontaktbitte auf und
schickte sie „durch die Telefonleitung“ nach Botswana auf
die Reise. Auf eine Antwort wartete ich allerdings
vergeblich. Im zweiten Schritt formulierte ich ein
Hilfeersuchen an benachbarte Schulen. Keinerlei Echo. Im
Sommer wandelte ich das Fax in ein Schreiben an „The
Ministry of Education and Skills Development“ in Gaborone
(Hauptstadt Botswanas) um. Sicherheitshalber versandte ich
es per Briefpost. Auch hier keine Antwort. Ich dachte
nach. Vielleicht war es einfach zu verrückt, ausgerechnet
eine Schule in Botswana unterstützen zu wollen. Und
noch ein Zweifel: Hat das Land nicht das höchste
Pro-Kopf-Einkommen im südlichen Afrika?
Plötzlich, im August, eine Nachricht vom Ministerium in
Gaborone. Grüße. Mutmaßung, dass es sich bei der gesuchten
Schule höchst wahrscheinlich um die „Shakawe Primary
School“ handele. Mein Brief sei an den Regional Director
der „North West Province“ weitergeleitet worden. Er werde
Kontakt mit der Schulleiterin aufnehmen und nachfragen,
welcher Art Material die Schule gebrauchen könne.
Nach einigen Mails hin und her schrieb das Ministerium,
die Schule könne gut Papier gebrauchen, 40 Karton
Kopierpapier, 20 Karton Packpapier, 20 Karton
Zeitungsdruckpapier - und merkte an: „Your visit was a
long time ago and you may not recognise the school today
... just a warning.“ Vorgeschlagen hatte ich Bücher für
den Unterricht in Englisch als „First Additional
Language“. Stattdessen bergeweise Papier? Und: Just a
warning! War ich irritiert? Ja, ich war irritiert. Sehr
sogar.
Also nahm ich Kontakt zu meiner ehemaligen Dienststelle
auf, der „Deutschen Schule zu Johannesburg“. Nach der
dritten Mail hatte ich in der stellvertretenden Leiterin
der Grundschulabteilung die richtigen Ansprechpartnerin
gefunden. Sie organisiert an der DSJ den
Englischunterricht der Grundschulklassen. Während meines
Südafrika-Besuchs im November 2017 trafen wir uns vor Ort
in ihrem Klassenraum. Die Kollegin erwies sich als sehr
hilfsbereit. Sie unterstützte vorbehaltlos meine Ansicht,
dass es wenig Sinn mache, ein Fuder Papier in die Savanne
des Okavango zu senden. Möglicherweise würde es schon in
Gaborone stecken bleiben ...
Sie zeigte mir feine Lehrbücher, die sie im
Englischunterricht der DSJ einsetzt, und ihre Whiteboards,
die sie in Englischstunden an ihre Schüler ausgibt. Und
wieder einsammelt, damit sie vollzählig bleiben. Das sei
doch eine Alternative! Augenzwinkern. Erinnerungen an
meine eigene Schulzeit: Schiefertafel und Griffel.
„O, ja, das wär' 'was“, dachte ich, „gut und nachhaltig!“
In einem der nördlichen Stadtteile Johannesburgs fand ich
einen Schulausstatter, der mit A4-Whiteboards der
abgebildeten Art handelt, und eine Buchhandlung, die
gleich bereit war, mir ein Beschaffungsangebot zu machen.
Endlich ein Packende. Meine Ehefrau und ich setzten unsere
Reise fort. Immer wieder diskutierten wir darüber, wie mit
den gewonnenen Erkenntnissen umzugehen sei. Auf dem
Rückweg vom Indischen Ozean nach Johannesburg machten wir
Station in einem Safari Camp am Tugela River in der
Provinz KwaZulu Natal. Nur mit einem Four-Wheel-Drive zu
erreichen, übrigens.
Auf dem fahrerisch herausfordernden Rückweg nach
Johannesburg fiel uns eine Schule in der Nähe des Camps
ins Auge. Die machte einen passablen Eindruck auf
uns, karg, aber ordentlich, jedenfalls kein Müll auf dem
Schulgelände. Im Flugzeug diskutierten meine Frau und ich
das Pro und Contra. Wieder zu Hause, schrieb ich kurz
entschlossen in der Weihnachtszeit einen langen Brief an
die Besitzer des Safari Camps. Ich bat sie, bei der Schule
nachzufragen, ob eine Unterstützung mit Büchern,
Whiteboards und Markern willkommen wäre. Eine erste
Antwort kam schnell:
We are very excited about your proposal and I
know for sure the local school will be over the
moon! You hit the nail on the head with your
list of suggested equipment. [...] We
will chat to the headmaster and revert. |
Aber keine zweite. Als ich nachfragte, hieß es, sie hätten
meine Schreiben an ihren Junior weitergeleitet. Er werde
sich melden. Erst wartete ich; dann schrieb ich ihm ihm,
teilte ihm mit, dass ich Anfang 2019 wieder Südafrika
besuchen und noch vor Reiseantritt bereits in Johannesburg
das Material für die Schule zusammenstellen lassen wolle,
sodass ich es direkt bei der Schule vorbei bringen könne.
Er schickte mir daraufhin eine Liste großartiger
alternativer Sponsoring-Ideen, die von Naturschutz bis zum
Aufbau einer Krippe für die Kinder des Dorfes auf der
anderen Seite des Flusses reichten. Ich entgegnete, ich
wolle nicht die Natur schützen, sondern eine Schule
unterstützen; ich sei im Wort bei meiner ehemaligen
Schulgemeinde. Er schrieb, wenn das so sei, werde er sich
bei nächster Gelegenheit mit der Schule in Verbindung
setzen und mir die Kontaktdaten senden. Aber die Wochen
vergingen, ohne dass ich Neues hörte. Und schon stand
wieder die Adventszeit vor der Tür ...
Anfang Dezember fragte ich beim Junior nach, ob denn aus
seiner Sicht eine Unterstützung der Schule sinnvoll sei
und er mir wenigstens die Kontaktdaten besorgen könne. Er
bestätigte, dass die Schule durchaus ein geeignetes
Spendenziel darstelle. Zur Zeit halte er sich aber
nicht im Camp auf; er werde mir bei Gelegenheit die
gewünschte Auskünfte übermitteln. Weihnachten ging vorbei,
Post kam nicht. Schließlich riss mein Geduldsfaden.
Rechner angestellt, Browser geöffnet und Informationen
über Kinderhilfswerke eingezogen. Die entscheidenden Hits:
Am 5. Februar werde ich wieder nach Südafrika fliegen; das
Geld ist schon dorthin unterwegs. Hoffentlich.
Ulrich Vielhauer
Arnsberg, 30.01.2019
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