06.05.2018 | |
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Bilder der Verzweiflung und HilflosigkeitVorführung des am
Woeste-Gymnasiums gedrehten Spielfilms löst beim
Publikum Betroffenheit aus Draußen überzieht die
Abendsonne alles mit warmem Licht. Ein Licht das
jedoch aus der Aula des Woeste-Gymnasiums
ausgesperrt wird, als die Vorhänge zugezogen
werden und Platz macht für Bilder der Trauer, des
Schreckens der Verzweiflung, der Hilflosigkeit.
Über hundert Zuschauer sind am Freitagabend
gekommen, um den Film „Mein rechter, rechter Platz
ist frei...“ im Rahmen einer schulinternen
Aufführung zu sehen. Die meisten sind Schülerinnen
und Schüler, dazu kommen Lehrerinnen, Lehrer und
Eltern. Sie alle werden in den 45 folgenden
Minuten im wahrsten Sinne in den Bann des
Geschehens auf der Leinwandgezogen. Bis auf den
Filmton ist in der Aula kein Laut zu hören.
Der nach einem bekannten Kindergarten-Spiel benannte Streifen, der im vergangenen Sommer im und am Woeste-Gymnasium gedreht wurde, ist kein Film über diese Schule und erst Recht kein Hemer-Film. Die Schule dient lediglich als Kulisse und transportiert auf der Leinwand eine irritierende Tristesse, die durch das viele Grün rund um die Gebäude eher noch verstärkt wird. Es ist auch kein Film über eine Amoklauf, obwohl ein Jugendlicher mit einer Pistole in der Schule drei Mitschüler umbringt, bevor er sich mit Medikamenten selbst tötet. Die Tat wird zwar gezeigt, doch nicht diese Bilder lösen in erster Linie beim Publikum Betroffenheit aus, sondern die Darstellung der Folgen, die das Geschehen mit dramatischer Wucht nach sich zieht. Die nach solch schrecklichen Ereignissen oft formulierte Feststellung, dass Zeugen und Betroffene noch jahrelang unter dem Erlebten leiden – hier nimmt dieses Leiden Gestalt an. Unter anderem die Gestalt des Schülers Mark, dessen bester und unmittelbar neben ihm sitzender Freund Ole zum Opfer wurde. Der Verlust reißt bei Mark ein Vakuum, für das symbolisch der leere Platz rechts neben ihm steht. Mark kann und will dieses Vakuum nicht füllen. Raffinierte filmische Mittel gekonnt eingesetzt Der jungen Regisseurin und Drehbuchautorin Kerstin Rütz und dem aus Hemer stammenden Kameramann Jan Verborg ist in Zusammenspiel mit einigen bekannten Darstellern und einer Reihe aus der Schülerschaft des Gymnasiums rekrutierten Komparsen ein beeindruckend Werk gelungen. Nicht nur die Geschichte und Dialoge sind von mitunter Angst einflößender Intensität, auch der Schnitt ist überaus raffiniert. Das gilt zum Beispiel für die Szenen auf dem Basketballfeld, wo das monotone Aufklatschen des Balls auf den Boden die Zeitebenen vor und nach der Tat in einen scheinbar unauflösbaren Zusammenhang stellt. Das klatschende Geräusch des Balles und die peitschenden Schüsse wirken wie eine eiserne Klammer, die sich um die Seele von Mark und einigen seiner Mitschüler gelegt hat. Bekanntestes Gesicht des Films ist der Schauspieler Johann von Bülow, der Marks Lehrer spielt. Dessen Versuche, Mark zu helfen, bleiben letztendlich vergeblich, weil er selbst traumatisiert ist und keine Antworten auf Marks Fragen kennt. „Weiß eigentlich jemand, wie verzweifelt Du bist?“, fragt der Lehrer , nachdem er durch Zufall die Gedanken Marks in einem Notizbuch gelesen hat. „Was das jemand bei Ihnen?“, lautet die entlarvende Antwort. Warum ist der Film in Hemer entstanden? Weil das Woeste-Gymnasium eine entsprechende Anfrage schlicht positiv beschieden hat. Viele andere Schulen haben schnell abgewunken, niemand wollte offenbar mit dem Thema Amok in Zusammenhang gebracht werden. „Die hatten da einfach keinen Bock drauf“, formuliert es Kameramann Jan Verborg, der ebenso wie Kerstin Rütz für die Vorführung am Freitag nach Hemer gekommen war, in seinen knappen aber aufrichtigen Dankesworten, als nach lautem und lang anhaltendem Applaus die Vorhänge der Aula wieder aufgezogen waren. „Mein rechter, rechter Platz ist frei...“ ist einer der Wettbewerbsbeiträge für den Max-Ophüls-Preis und soll, so Kerstin Rütz, noch auf einigen anderen Festivals gezeigt werden. Für das kommende Jahr erhoffen sie und Jan Verborg sich, dass der Film in einem Streaming-Dienst abrufbar wird und vielleicht sogar im Programm eines TV-Senders ausgestrahlt wird. Text und Bild:
Reinhard Köster / IKZ vom 07.05.2018
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