28.03.2014 |
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Ehemaliger DDR-Bürger Bernd Pieper am WoesteSchon seit 24 Jahren ist Deutschland vereint. Doch die Zeit der SED – Diktatur in der DDR ist noch längst nicht vergessen. Besonders bleibt diese Zeit jenen in Erinnerung, die unter dem System am meisten gelitten haben – denjenigen, die sich gegen den Staat stellten bzw. nicht genau nach dessen Vorstellungen gehandelt haben.Einer von ihnen ist Bernd Pieper. Der ehemalige DDR-Bürger kam am Dienstag, den 18.März, im Rahmen des Projektes „Vereinigung der Opfer des Stalinismus", das durch die „Bundesstiftung für Aufarbeitung" gefördert wird, zum Woeste – Gymnasium, um den Schülerinnen und Schülern der Geschichtskurse Q2 von seinem Leben in der DDR zu berichten. Pieper wurde im Jahre 1953 in Bielefeld, also in dem damaligen Westdeutschland, geboren. Aufgrund des gewalttätigen Vaters floh seine Mutter 1958 mit ihm zu seinem Onkel in die DDR, wo er im Kindergarten angemeldet und ein Jahr später eingeschult wurde. Durch den Mauerbau 1961 blieb beiden die Rückkehr nach Westdeutschland vom einen auf den anderen Tag verwehrt. Nachdem sie den grünen Pass der BRD in den blauen Pass der DDR (zwangsläufig) umgetauscht hatten, waren sie offizielle DDR-Bürger. Pieper beschrieb die neuen Umstände als sehr ungewohnt. Viele Lebensmittel, die man in der BRD als selbstverständlich ansah, so z.B. Südfrüchte wie Bananen und Orangen, stellten in der DDR eine Rarität dar. Man übte also Verzicht in verschiedenen Bereichen des Lebens, aber eine Alternative hatten sie nicht. In der Schule war er fleißig, erhielt sogar verschiedenste Abzeichen, die u.a. besonders guten Schülern ausgehändigt worden sind. Pieper nahm wie die meisten Kinder und Jugendlichen der DDR an den Veranstaltungen der Jungpioniere (staatliche Massenorganisation) teil, wurde in der 7. Klasse Freundschaftsratsvorsitzender (eine Art Schülervertretung) und besuchte später die polytechnische Oberschule in Cottbus, an der er an dem erweiterten Russischunterricht teilnahm. Seine Kindheit in der DDR bezeichnet er als nicht schlecht, doch ein einschneidendes Ereignis sollte seine Sicht auf die Dinge ändern. Sowjetische Truppen schlugen am 21.08.1968 den „Prager Frühling" nieder, eine Volksbewegung der Menschen in der Tschechoslowakei, die Lieberalisierung und Demokratisierung in dem sozialistischen Land zum Ziele hatte. Das brutale Vorgehen der sowjetischen Truppen im eigenen Bruderstaat ließ Pieper erkennen, wie sehr das herrschende System die Freiheit seiner Menschen einschränkte. Auch die Präsens der Stasi wurde allgegenwärtiger. Nachdem Mitschüler Briefe und Musikwünsche, obgleich mit falschem Namen und einer anderen Adresse, an den Westdeutschen Radiosender RIAS gesendet hatten, wurde er befragt, was er darüber wisse. Obwohl Pieper von der Aktion seiner Mitschüler wusste, durfte er die Schule fortführen, erhielt jedoch einen Tadel von der FDJ. Nach dem Schulabschluss studierte Pieper in Potsdam Anglistik und Slawistik. Am Lehrstuhl herrschte ein relativ freies Klima, was damit zusammenhing, dass dort sowohl ein Amerikaner als auch ein englisches Ehepaar unterrichteten. Außerdem fiel es der Stasi schwer, dort das Geschehen zu beaufsichtigen. Eines Tages aber, als Pieper mit einigen Freunden den Abend in einer Potsdamer Gaststätte verbrachte, äußerte er den Wunsch, die DDR zu verlassen und in den Westen zurückzukehren. In der Gaststätte befand sich ein IM, ein von der Stasi angeworbener Spitzel. Diese IMs waren oft vermeintliche Freunde oder sogar Familienangehörige der „Opfer". So erfuhr die Stasi von Piepers Auswanderungswunsch. 1973 fanden die Weltjugendspiele in Osterberlin statt. Nachdem sein Ausweis in der U- Bahn anlässlich dieses Ereignisses kontrolliert wurde, ermittelte die Stasi von dort an umso stärker gegen ihn. Zwei Jahre später stand Pieper einem Mitarbeiter der Stasi gegenüber, der ihn aufforderte, mitzukommen. Zunächst ging er von einer einfachen Befragung aus, doch schnell wurde ihm klar, dass die Stasi mehr als nur mit ihm reden wollte. Später stellte sich heraus, dass sein „Studienfreund" ein IM war, den die Stasi extra zur Bespitzelung Piepers angeworben hatte. Pieper hatte Mitschriften des Radiosenders RIAS angefertigt, die durch den IM an die Stasi weitergeleitet worden sind. Außerdem bekam die Stasi die Information zugespielt, dass Pieper mit anderen staatskritischen DDR-Bürgern im Kontakt stand. Im Anschluss an das Verhör wurde Pieper aufgrund von „Staatsfeindlicher Hetze" zu 3,5 Jahren Haft in der Haftanstalt Cottbus verurteilt. Unter den Insassen waren wenige echte Straftäter. 80-90% waren politische Häftlinge und viele davon Akademiker. Im Gefängnis beobachtete Pieper, dass regelmäßig größere Häftlingstransporte stattfanden. Die DDR wollte ihre „schlimmsten" Kritiker / „Unruhestifter" loswerden und übergab sie der BRD. Die Bundesrepublik bezahlte für die Freilassung Geld. Devisen waren willkommen, da die Wirtschaft der DDR bereits stark angeschlagen war. Die BRD kaufte jährlich ca. 1300 Häftlinge frei. Schließlich war auch Pieper unter jenen, die in die BRD geschickt wurden. Für ihn bot sich damit die Chance, ein neues Leben in einem demokratischen Staat aufzubauen. Endlich durfte er teilhaben an der Freiheit und den wirtschaftkichen Errungenschaften, die den Deutschen in der DDR noch verwehrt waren. Der Mauerfall am 9. November 1989 war für Pieper sehr bewegend. Er durfte erkennen, dass sich der größte Teil der DDR-Bürger und gerade auch die junge Generation nicht länger dem herrschenden System anpassen wollten. Diesen Bürgern und Menschen wie Pieper ist es maßgeblich zu verdanken, dass Deutschland heute vereint ist. Bernd Pieper verstand es, die Schüler mit seiner Geschichte zu fesseln. Dieser Bericht ist eine verkürzte Zusammenstellung der besprochenen Themen. Wer sich ausfühlicher über die Erfahrungen des Referenten informieren willl, dem sei sein Buch „Roter Teppich in Cottbus" als Lektüre empfohlen. Der Besuch des Zeitzeugen Bernd Pieper war eine großartige Erfahrung. Sein Vortrag regte zum Nachdenken an und wir werden ihn so schnell nicht vergessen. An dieser Stelle möchte ich Bernd Pieper im Namen aller Anwesenden noch einmal herzlich danken, dass er den Weg zu uns gefunden hat und uns mit so viel Offenheit an seiner persönliche Geschichte teilhaben ließ. Textgrundlage: Kira
Volgmann
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